Ein altes Haus in einer ruhigen Moskauer Gasse, sechs Treppen hoch und dann nach links durch die Tür – da sind wir bei der Familie Muromtzew. An einem Oktoberabend des Jahres 1902 betreten wir die alte Moskauer Wohnung und bleiben hier ganze hundert Jahre.

Wir lernen mehrere Generationen von Muromzews kennen, sowie von ihren Nachbarn und Freunden, erleben Begegnungen und Abschiede, Trauer und Glück, Verluste und Hoffnungen, die viele Familien in Russland erlebten. Die Geschichte der einfachen Bewohner einer alten Moskauer Wohnung spiegelt die Geschichte des Landes im 20. Jahrhundert wider.

Es wird uns viel von den Sachen in der Wohnung berichtet: Möbel und Kleidung, Geschirr und Bücher, Spiele und Haushaltsgegenstände. Denn Objekte tragen die Spuren der Zeit, bewahren die Erinnerung und den Geist der Epoche, in der sie entstanden sind und benutzt wurden. Sie sind Zeugen einer Geschichte, die nicht in Lehrbüchern steht, aber für jeden von uns sehr wichtig ist.

„Ist die Vergangenheit ein fremdes Land? Schließlich ist die Vergangenheit überall, sie verschwindet nirgendwo. Viele Dinge in unseren Häusern bewahren die Geschichte der Familie. Und durch die Geschichte der Familie - die Geschichte des Landes. Jedes Kind fragt sich einmal, wer seine Großeltern waren, wie seine Eltern gelebt haben, als sie klein waren, welche Beziehung die Menschen auf alten Familienfotos zu ihm haben. Sowohl die Fragen selbst als auch unsere Antworten darauf sind eine wichtige Phase des Erwachsenwerdens. Indem wir die persönliche und familiäre Geschichte erzählen, führen wir Kinder in die große Welt ein, erklären ihnen, wer wir sind. Unser Buch kann Themen für ein solches Gespräch vorschlagen.“

Die Illustratorin Anna Desnitskaya berichtete darüber, wie sie es geschafft hat, die Wohnung so real und lebendig zu gestalten:

„Zuerst suchte ich sehr viele Bilder über die jeweilige Epoche, die ich zeichnete. Um zum Beispiel eine Hochzeit von 1973 zu zeichnen, habe ich mir viele Fotos angesehen und hatte Glück - ich fand eine große Auswahl von einer Hochzeit und nahm viel von dort mit. Toll, wenn man, wie bei diesen Aufnahmen, auf einen Charakter trifft, der sich auf die Illustration übertragen lässt. Die Figuren, die ich irgendwo gefunden habe, erweisen sich immer als viel lebendiger als die, die ich selber erfinde.

Ich schaue auch Filme an. Als ich eine Gemeinschaftsküche aus den 20er Jahren zeichnete, sah ich lustige Stummfilme, in denen Küchen zu sehen waren. Man kann ihnen die Details nicht entnehmen, aber es war mir wichtig zu verstehen, wie alles im Allgemeinen arrangiert wurde.

Als wir das Buch kreierten, waren auch unsere Verwandten Informanten. Wir haben sie gefragt: „Was hast du am Tag von Stalins Tod gemacht?“, „Welche Spiele hast du in deiner Kindheit gespielt?“, „Was hast du angezogen?“

 

Das Buch „In einem alten Haus in Moskau…“ ist in Russland sehr beliebt, und auch in Deutschland bekam es eine begeisterte Kritik:

Mit Wimmelbildern und liebevollen Illustrationen gelingt es mit diesem Buch, Politik in anschauliche Alltagserfahrungen aufzulösen.

SUSANNE BILLIG, DEUTSCHLANDFUNK KULTUR, 28.07.2017

 

Ich bin begeistert von der Vielfalt, von der Komplexität, die sich auf wenigen Seiten eröffnet. 

SIGGI SEUSS, DEUTSCHLANDFUNK, DIE BESTEN 7 BÜCHER FÜR JUNGE LESER, 05.08.2017

 

Die Autorinnen blicken mit charmanter Distanz auf die russische Geschichte und überlassen es den Lesern selbst, sich ein Urteil zu bilden. Dabei schaffen es Litwina und Desnitskaya, die Höhen und Tiefen dieses für Russland so wichtigen Jahrhunderts sichtbar zu machen: in Form der sympathischen Familie Muromzew und in einem absolut lesens- und sehenswerten Buch. 

FREDERIK ROTHER, DEUTSCHLANDFUNK, 27.10.2017

 

Das Schauvergnügen ist groß, die alltägliche Sachwelt als Spiegel politischer Ereignisse funktioniert bestens. 

HANS TEN DOORNKAAT, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG / MAGAZIN GESCHICHTE, 05.10.2017

 

Hier wird die Geschichte eines ganzen Landes reflektiert ... Eine beeindruckende Chronologie inklusive Suchaufgaben. 

STEFAN HAUCK, BÖRSENBLATT/LESELOTSE, 20.07.2017

 

Für dieses Buch wurden Anna Desnitskaya und  Alexandra Litvina 2019 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis (2019), dem Luchs des Monats Kinder- und Jugendbuchpreis (2020), dem Leselotsen (2020) und dem Astrid Lindgren Memorial Award (2018) ausgezeichnet sowie in die Liste der besten 7 Jugendbücher für junge Leser (2020) aufgenommen.